Donnerstag, 7. Februar 2008 19:09
Dieses neue „Spiel“ breitet sich gerade wie eine Epidemie aus. Kaum ein Artikel über Kinderernährung und nur wenige einschlägige Kochbücher kommen ohne aus. Demnach muss man Gemüse vor Kindern verstecken, denn Kinder mögen kein Gemüse. Die aktuellste Variante zu diesem Thema habe ich heute in Form einer Presseaussendung in meinem Postfach gefunden: Fernsehkoch Thomas Sixt hat Rezepte entwickelt, bei denen er Gemüse in Gerichte hineinschmuggelt, die Kinder normalerweise gerne essen.
Auszug aus der Presseaussendung: „Kinder und Gemüse gelten allgemein als Widerspruch. Mit kleinen Tricks werden Hackbällchen, Frikadellen oder Fleischpflanzerl mit reichlich Spinat, Karotten und Kartoffeln versehen und mit großem Genuss von den Kleinsten verzehrt“ freut sich der bekannte Fernsehkoch Thomas Sixt über die neuesten Kochideen. ….Damit sich Kinder und Erwachsene gesünder, ballaststoff- und vitaminreicher ernähren, ist Chefkoch Sixt fast jedes Mittel recht. Sixt: „Der Trick ist an sich recht einfach: Hochwertiges findet Eingang in die Lieblingsspeisen der Kinder, gleichzeitig bleibt der typische Speisengeschmack bestehen.“
Wenn ich das richtig verstanden habe, gibt es dann Hackbällchen (Fleischlaberl), die mit Spinat und Karotten angereichert sind, aber nicht nach dem Gemüse schmecken! Mütter und Kinder haben die Speisen getestet, offenbar hat es ihnen geschmeckt, denn ein Kochbuch ist in Vorbereitung.
Keine gute Idee: Kinder beim Essen austricksen!
Diese Art der Kinder-Geschmacks-Erziehung kommt mir einigermaßen merkwürdig vor. Kinder dürfen also nicht merken was sie essen, die Eltern sind aufgerufen, ihre Kinder zu verschaukeln und auszutricksen. Und das soll gesund sein?
Mir ist es anders lieber. Kinder sollen merken, was sie essen! Sie sollen ihren Geschmack an unverfälschten Lebensmitteln und Speisen entwickeln und wenn dabei eine Zeit lang das Gemüse zu kurz kommt – soll sein. Ausgetrickst werden die Kinder ohnehin oft genug durch die Angebote der Nahrungsmittelindustrie mit ihren künstlichen Aromen (Erdbeerjogurt!) und Geschmacksverstärkern. Wer will da Eltern raten, auch noch in diese Kerbe zu schlagen? Das kann doch wohl nur ein schreckliches Missverständnis sein.
Wie überhaupt beim Thema Kinderernährung jede Menge merkwürdiger Ratschläge kursieren. Von den vielen Konzepten zu diesem Thema finde ich nur zwei wirklich empfehlenswert: Das Konzept von Slow Food mit der Geschmackserziehung und die Überlegungen des dänischen Pädagogen Jesper Juul. Was beide gemeinsam haben, ist eine engagierte, aber unaufgeregte Haltung zum Thema. Es geht nicht darum, den Kindern das „richtige“ Essen vorzusetzen, sondern mit ihnen gemeinsam die Welt der Lebensmittel und des Kochens zu entdecken. Das ist bestimmt auch für Erwachsene lustiger, als Gemüse in Fleischbällchen zu stopfen.